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dpa - Pressemeldung vom 18. November 2003
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Gesellschaft/Kinder/KORR/
Selbstbewusst auftreten - Realitäts-Test lehrt Kinder Selbstschutz
Von Britta Gürke, dpa =
 
   Königswinter (dpa/lnw) - «Nein!» - Sarah reißt sich laut und
deutlich von dem Mann los, der sie in sein Auto zerren will.
Stundenlang hat die 16-jährige Schülerin der Drachenfelsschule in
Königswinter bei Bonn dieses eine Wort zuvor im «Sicher-Stark»-Kurs
geprobt. «Gut gemacht», lobt Trainer Ralf Schmitz. «Genauso musst Du
reagieren, wenn es ernst wird.»
 
   Seit über zehn Jahren besuchen Schmitz und das Team von «Sicher-
Stark» Schulen, Sportvereine und Elterninitiativen in ganz
Deutschland, um Kindern und Jugendlichen in mehrstündigen Kursen zu
zeigen, wie sie sich selbst vor Gefahren und Gewalt schützen können.
Es sind keine herkömmlichen Selbstverteidigungskurse mit körperlichen
Abwehrtechniken - hier geht es vor allem um Psychologie.
 
   «In unseren Programmen sollen die Kinder lernen, dass es außer
Kämpfen noch ganz andere Mittel gibt, um sich zu wehren», sagt
            Gudrun Rinker, die hauptberuflich gemeinsam mit Schmitz
die Übungsstunden organisiert und leitet. «Unser Training dient
weniger der Verteidigung als der Selbstbehauptung. Im Mittelpunkt
stehen psychologische Komponenten wie Körpersprache oder verbale
Verteidigung». Bis zu zehn Kurse führt das «Sicher-Stark-Team», das
seinen Hauptsitz in Euskirchen nahe Bonn hat, wöchentlich durch.
Angeboten werden außerdem Informationsabende und Intensivübungen über
21 Stunden - vor allem an Schulen in Nordrhein-Westfalen, aber auch
in sozialen Einrichtungen.
 
   «Unsere Mitarbeiter stammen aus ganz unterschiedlichen
Berufsfeldern. Nur so können wir alle Bereiche professionell
abdecken», erklärt der ehemalige Polizeibeamte und Selbstverteidigungsexperte
Schmitz. Seine Kollegin Rinker ist studierte Sozialpädagogin
            Die Informationsabende werden von
Professoren und Fachleuten aus der Praxis geleitet.
 
   Das Konzept kommt bei Eltern und Lehrern gut an. Auch die
Direktorin der Drachenfelsschule, Franziska Müller-Luhnau, ist
begeistert: «Vor allem Mädchen haben häufig nie gelernt, sich mit
Worten zu verteidigen. Es bringt nicht viel, ihnen Techniken
beizubringen, die sie im Ernstfall sowieso nicht anwenden.» Die
Jugendlichen müssten erst einmal Selbstbewusstsein entwickeln.
 
   Ähnlich sieht das auch die 16-jährige Kursteilnehmerin Alice aus
Königswinter: «Ich will merken, dass ich mich wehren kann und nicht
klein in der Ecke stehe, wenn mich jemand beschimpft oder anfasst.»
Schon bei der Vorstellungsrunde zu den «Sicher-Stark»-Kursen wird der
Auftritt in der Öffentlichkeit geübt. Jede Teilnehmerin muss vor der
Gruppe ihre Haltung kontrollieren, den anderen in die Augen sehen und
klar ihre Wünsche formulieren. In Rollenspielen wird das
selbstbewusste Auftreten in Alltagssituationen erprobt. Dann müssen
sich die Jugendlichen in «Realitäts-Tests» beweisen.
 
   «Die Realitäts-Test sind die wichtigsten Punkte in unserem
Konzept. Nur wenn sie ihr Wissen praktisch anwenden, können die
Kinder es bei Bedarf wirklich abrufen», sagt Schmitz. In den Tests
würden sie mit möglichst realistischen Situationen konfrontiert. So
müssten sie sich gegen einen Autofahrer zur Wehr setzen, der sie zum
Mitfahren zwinge. Ihre Reaktionen würden mit einer Kamera aufgenommen
und anschließend in der Gruppe besprochen. «Wenn die Körpersprache
stimmt, wird der Einsatz der Stimme geübt. Erst am Ende des Kurses
gibt es Verteidigungstipps aus dem Kampfsport», erklärt Schmitz.
 
  Zwar werden die «Sicher-Stark»-Trainer häufig zur Arbeit mit
Jugendlichen gebucht, noch wichtiger sind für sie aber die Kurse mit
Jüngeren. «Kinder müssen so früh wie möglich, am besten ab der ersten
Klasse, auf Gefahrensituationen vorbereitet werden», sagt Schmitz.
«Die Inhalte der Kurse sind gleich, sie nur altersgerecht verpackt»,
erläutert Rinker. Bis zur dritten Klasse lernen Jungen und Mädchen
zusammen, dann werden die Gruppen getrennt. Rund fünf Euro kostet
eine Unterrichtsstunde pro Kind. Schmitz hofft jedoch, dass die Kurse
irgendwann nicht mehr nötig sein werden: «Unser Ziel wäre erreicht,
wenn jede Schule einen eigenen Selbstbehauptungstrainer hätte.»
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181025 Nov 03 
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