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Kinder lernen Schutz vor Angreifern

Ostsee-Zeitung, 24.4.2007

Knapp 150 Schüler werden diese Woche in Sicher-Stark-Kursen auf Gefahrensituationen vorbereitet und lernen, eigene Stärken sinnvoll einzusetzen.

Boltenhagen Ein Autofahrer ruft ein Mädchen zu sich und erkundigt sich nach dem Weg. "Magst du vielleicht einsteigen, um mir zeigen, wo ich hin muss?", fragt der Mann. Doch das Kind will nicht, lässt sich aber in ein Gespräch verwickeln. So erfährt der Fremde leicht, wo das Mädchen wohnt und zur Schule geht. Mit jedem Satz wird die anfängliche Angst weniger. "Die Grenzen verschwimmen, sodass der Fremde nicht mehr als solcher zu erkennen ist. Das beweist die Statistik, denn in den meisten Fällen steigen die Kinder freiwillig ins Auto", informiert Julia Schlegel. Die Diplom-Pädagogin ist seit gestern mit dem ehemaligen Polizeibeamten Ralf Schmitz zu Gast in Boltenhagen. Als Mitarbeiter des Sicher-Stark-Teams machen sie bis Freitag etwa 150 Kinder der Grundschule auf mögliche Gefahrensituationen aufmerksam und zeigen ihnen, wie man sie bewältigen kann.

Dazu gehört auch das Rollenspiel, wie das mit dem Autofahrer. "Und man soll keinen fremden Mann helfen, der einem Schokolade anbietet, wenn man seine Einkaufstüte nach oben trägt", sagt Sebastian Albert. Der siebenjährige Klützer ist Teilnehmer des ersten Kurses – zusammen mit den Kindern der Klasse 2a und den Jungen der 3a – und hat vieles gelernt. "Es hat Spaß gemacht", lobt er und bekommt Unterstützung von Jasmin Maleck (8), die das Beißen und Schreien am besten fand. Auch damit kann man sich vor Angreifern schützen. Lautstark üben die Kinder deshalb das "Nein" in der Aula. Und auch für gezielte, angedeutete Tritte vors Schienbein haben sie Applaus geerntet.

Das Sicher-Stark-Team macht seit vielen Jahren sehr erfolgreich Kinder im Grundschulalter "sicher und stark" und hat so bundesweit bereits über 300 000 Kinder und Eltern geschult. In ihren Veranstaltungen arbeiten nur Expertenteams, die alle über eine polizeiliche, pädagogische oder kindertherapeutische Ausbildung verfügen.

Möglich gemacht haben den anderen Unterricht in Boltenhagen die Mitglieder des Schulfördervereins, um die Erst- bis Viertklässler selbstbewusst und mutig zu machen, damit sie Gewaltverbrechen und sexuellem Missbrauch nicht hilflos ausgeliefert sind. "Das ist ein tolles Angebot", bedankt sich Schulleiterin Anne Behl bei den Organisatoren. Die haben die Anstrengung und den finanziellen Aufwand nicht bereut. "Der erste Tag hat mir sehr gut gefallen", lobt Jana Schöbel vom Vorstand des Vereins zur Förderung der Grundschule Boltenhagen. Den Kindern seien nicht nur mögliche Gefahren aufgezeigt worden, sondern sie haben darüber hinaus erfahren, dass Missbrauch auch in Familien passiert und dass Notrufnummern immer funktionieren – sogar wenn das Handy keinen Empfang oder kein Guthaben mehr hat. "Und es gibt eine Kummertelefonnummer für Kinder", so Ines Schöbel. Tom Dreschler (9) aus Klütz kennt die Zahlen jetzt genau: Tel.: 0800 / 111 01 11.

Neben wirkungsvollen und einfach anwendbaren Techniken zur eigenen Sicherheit, wie Schreien, Beißen und Treten, möchte das Sicher-Stark-Team den Kindern in erster Linie eigene Fähigkeiten und Stärken aufzeigen, damit sie selbstbewusst auf andere wirken. Der Bedarf ist groß, denn in Deutschland wird jedes zweite Sexualverbrechen an einem Kind begangen.

Weitere Infos gibt's unter Tel.: 0180 / 55501333 oder www.sicher-stark.de.

Kerstin Schröder

Mit einem Tritt vors Schienbein kann man sich gegen einen Angreifer zur Wehr setzen. Das und noch vieles mehr haben die Kinder des ersten Kurses gestern gelernt.
OZ-Fotos: Kerstin Schröder
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