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Unterricht im Nein-Sagen Das "Sicher-Stark-Team" bietet bundesweit
Sicherheitstrainings für Grundschüler an
Aus der Turnhalle dringt ein
lautes, lang gezogenes "Neeeeiiin". Dann ein Klatschen und der
Ruf "Super". Kurz darauf geht es von vorne los. Im
beschaulichen Örtchen Wülfrath bei Wuppertal wundern sich die
Passanten. Muss man den Kindern von heute tatsächlich das
Nein-Sagen beibringen? "Auf jeden Fall", meint die
Selbstverteidigungsexpertin Gudrun Rinker. "Zu viele Kinder
haben immer noch gelernt, so nett, brav und gehorsam zu sein,
dass sie jedem Erwachsenen vertrauensselig folgen würden."
Beispiele wie das der ermordeten Ulrike aus Eberswalde
und der getöteten Julia aus dem hessischen Biebertal haben
Eltern aufgeschreckt und in Wülfrath zu einem einmaligen
Projekt geführt. An der Parkschule werden von November bis
Ende Februar alle 350 Schüler in Selbstbehauptung und
Selbstverteidigung unterrichtet. Die Kurse bietet Gudrun
Rinker mit ihrem "Sicher-Stark-Team" an. Seit zehn Jahren ist
die Sozialpädagogin mit neun Kollegen in ganz Deutschland
unterwegs, um Kinder Selbstverteidigungstechniken zu lehren,
die sie vor Gewalttaten und vor sexuellem Missbrauch schützen
können.
Am Anfang und am Ende der Schulung steht das
Nein-Sagen. In Filmen wird das "gesunde Misstrauen" der Kinder
gegenüber fremden Menschen gezeigt, in Rollenspielen
anschließend trainiert. "Ich muss immer drauf achten, ob ich
ein Ja- oder ein Nein-Gefühl im Bauch habe", erzählt der
sechsjährige Alex und fasst damit eine Grundlage des Konzepts
zusammen: Die Kinder sollen ihre Gefühle kennen lernen und
ernst nehmen.
"Untersuchungen haben klar gezeigt, dass
selbstbewusst auftretende Kinder seltener Opfer von
Gewalttaten werden", erklärt Ralf Schmitz, ehemaliger
Polizeibeamter und Gründer des "Sicher-Stark-Teams". So
mancher Täter werde schon durch lautes Schreien abgeschreckt,
erzählt er den Kindern und fragt sie immer wieder: "Was ruft
ihr, wenn ihr Hilfe braucht?" "Feuer", schreien die Schüler
begeistert. Ein ungewöhnlicher Hilferuf, gibt Schmitz zu, aber
leider der einzige Schrei, der Erwachsene schnell reagieren
lässt.
Scheint Rufen zwecklos, so gibt es immer noch
das Kratzen, Beißen und Treten. Der Ex-Polizist ermutigt die
Schüler, in Gefahrensituationen keine Hemmungen zu haben und
zeigt ihnen mit Co-Trainerin Gudrun Rinker wirkungsvolle
Tricks. "Hebt der Mann euch einfach hoch und will euch
wegtragen, dann zieht ihm mit der einen Hand fest an den
Haaren und drückt mit der anderen seine Nase nach oben." In
Zweiergruppen wird das Gezeigte anschließend geübt - immer
unter dem Hinweis, den Klassenkameraden nicht wehzutun und die
Technik nicht auf dem Schulhof auszuprobieren.
Auf die
Übungen folgen Lauf- und Schreispiele, denn die Konzentration
der Erstklässler lässt schnell nach. "Effektiv arbeiten können
wir eigentlich erst mit Kindern ab acht Jahren", meint Ralf
Schmitz. Daher gibt es für die Schüler der ersten und zweiten
Klasse nur einen fünfstündigen Schnupperkurs. Die älteren
Kinder erhalten das komplette Kursprogramm mit 21
Unterrichtsstunden, inklusive "Realitäts-Check". Laut Schmitz
eine Besonderheit der Kinderkurse, die bundesweit nur das
"Sicher-Stark-Team" anbietet.
Die Euskirchener
Selbstverteidigungsexperten lassen von ihren Mitarbeitern, den
"Dummies", eine Gefahrensituation nachstellen. Auf dem
Schulweg laden diese die Kinder beispielsweise in ihr Auto ein
oder bedrängen sie beim Nachhilfeunterricht. "Wir filmen
heimlich die Reaktion der Kinder und sprechen sie nachher
durch", berichtet Rinker. Wichtig beim "Realitäts-Check" mit
Kindern sei das Erfolgserlebnis. "Unsere Dummies lassen es
daher nie so weit kommen, dass die Kinder tatsächlich ins Auto
steigen oder sich beim Nachhilfeunterricht auf Zärtlichkeiten
einlassen."
Die Mischung aus "Trockenübungen" und dem
"Erproben des Ernstfalls" habe sich bislang immer bewährt, so
Trainer Schmitz. Egal ob in Kinder-, Frauen-, Senioren- oder
Security-Seminaren, die das Team für Schulen, Vereine,
Verbände oder Firmen ausrichtet. Ungefähr fünf Euro kostet die
Unterrichtsstunde pro Teilnehmer. Zwar keine ganz billige,
aber doch lohnende Aktion, meint die Wülfrather
Grundschullehrerin Brigitte Scherf. Die hier gezeigte
Selbstverteidigung sei "einfach, einprägsam und wirkungsvoll".
Und was hat den Kindern am besten gefallen? "Das
Rennen und Nein-Schreien", sagt die sechsjährige Yvonne und
grinst. Nach dem Schnupperkurs ist sie lauter und
selbstbewusster geworden. Und hat damit spielend das erste
Kursziel erreicht: "Du fühlst dich sicher und stark."
Sabine Damaschke/epd
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